Natur und Klimawandel
Natur in Naturwissenschaft, Technik und Gesellschaft
In der Umgangssprache wird den Begriffen Natur und natürlich sehr Verschiedenes zugeordnet: sowohl einzelne Lebewesen und ökologische Systeme als auch die gesamte Welt: Erde und Kosmos sind gleichfalls Natur. Der Begriff umfasst damit etwas Ganzes und vieles Einzelne gleichermaßen – ein merkwürdiger Sachverhalt. Dieser wird noch dadurch kompliziert, dass wir selbst – zumindest in unserer Körperlichkeit oder Leiblichkeit – als Natur oder Teil der Natur anzusehen sind. In dieser Hinsicht sind wir auch direkt oder indirekt Gegenstand von Biochemie, Zell- und Molekularbiologie, Humanbiologie und Medizin. – Fragen:
Was bedeutet es, wenn die Naturwissenschaften so definiert werden, dass sie die Natur zum Gegenstand haben, dass Natur ihr Objekt ist?
Wie kommt Natur in den beobachtenden und in den experimentellen Naturwissenschaften vor, welche sich in gewisser Weise als technologisch fundierte Wissenschaften begreifen lassen? Wie ist Natur repräsentiert, wie erscheint sie speziell in den biologischen Wissenschaften?
Natur als „Gegenstand“ der Naturwissenschaften: was heißt das?
Meine Überlegungen dazu gehen von ökologisch-ethischen Forderungen nach einem neuen oder anderen Naturbegriff aus, welcher als erforderlich angesehen wird, um die ökologische Krise zu bewältigen, Denn – in der Nachfolge Bacons – seien an dieser die modernen Naturwissenschaften einschließlich der Biowissenschaften als gewissermaßen mitschuldig, denn es sei ihnen aufgrund ihres Macht- und Herrschaftsanspruches gegenüber der Natur ein zerstörerischer Zugriff auf Natur immanent, das heißt, in sie eingebaut. – Frage: Ist ein Weg denkbar, welcher eine nicht-zerstörerische Naturbeziehung implizieren würde?
Die Suche nach Antworten erfordert eine Analyse, Interpretation und Rekonstruktion der Naturbeziehung der experimentell verfahrenden biologischen Wissenschaften. Dazu mache ich einige Vorschläge in meinem Aufsatz Die Natur der Labor-Naturen oder Wieviel Natur repräsentiert die Labor-Natur der experimentellen Biologie?, in: Repräsentationsformen in den biologischen Wissenschaften. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie 3, hg. von Armin Geus und anderen 1999, S. 37–50. – Vertiefung:
Die Alltagspraxis der naturwissenschaftlichen Forschung und ihr Naturbezug
Wie stellen sich die unterschiedlichen Naturkonzepte real, also in der alltäglichen Praxis der naturwissenschaftlichen Forschung dar, sei es im Feld, sei es im Labor? Wie lassen sich diese Natur-Verhältnisse und ihr Natur-Bezug beschreiben? Und was haben diese mit Natur-Politik zu tun?
Im Besonderen in der modernen naturwissenschaftlichen Laborforschung stellt sich die Frage: Was für eine Natur – oder welche – ist hier Gegenstand und wird untersucht, in einem allgemeinen Sinne? Oder sind Gegenstand der Laborpraxis Auszüge, Teilstücke, Modelle, zurechtgestutzte Natur? Welcher Naturbezug zeigt sich in experimentell hergestellter Labor-Natur?
In meinem Aufsatz Zum Politischen im Naturbezug der naturwissenschaftlichen Laborpraxis. Für eine Politik der Koproduktivität und des Dialoges, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 5. Jg., Nr. 2, 1996, S. 151–168 werden meine Ergebnisse zu diesen Themen vorgestellt und mithilfe kommunikationswissenschaftlicher Theorien interpretiert. Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen Natur- und Kultur-/ Gesellschaftswissenschaften. Und es ergeben sich daraus neue Fragen und Ansätze:
Nämlich, indem begründet wird, warum für zukunftsfähige naturpolitische Lösungsansätze die Partizipation von Bürger/inne/n und Initiativgruppen sowie ein verstärkter und gleichberechtigter interdisziplinärer Dialog und eine ebensolche Kooperation zwischen Naturwissenschaftler/innen, Ingenieur/inn/en und Wissenschaftler/inne/n aus den Politik- Sozial- und Geisteswissenschaften wünschenswert sind. Insbesondere dann, wenn eine Naturpolitik angestrebt wird, welche Natur als Mitwelt behandelt und daher einen Naturbezug realisiert, der auf Mit-Produktivität und Allianztechnik (Ernst Bloch 1959) beruht: eine Idee, die weiter auszubauen interessant sein könnte.
Dies ergänzend, wird in einer umfangreichen Buchpublikation, herausgegeben von mir und Otmar Höll, Natur in einem weit gefassten und grundlegenden Sinne als zentrales Thema politischer und politikwissenschaftlicher Auseinandersetzung verstanden, welches demokratischer Gestaltung bedarf. Ausgangspunkt ist die vielfältige Verflochtenheit von Natur und Gesellschaft, einschließlich ihrer Subsysteme Wirtschaft und Politik.
Natur als Politikum
Der Vielfältigkeit und Komplexität der Thematik entsprechend bietet der Band Beiträge aus verschiedenen kulturellen Traditionen und Perspektiven, aus unterschiedlichen politischen Positionen und wissenschaftlichen Disziplinen, von Philosophie, Soziologie und Geographie über ökologische und feministische Forschung bis zu Psychologie, Politik-, Rechts- und Literaturwissenschaften sowie systems engeneering. Außereuropäische Sichtweisen sind einbezogen, zum Beispiel Beiträge zum Naturbezug lateinamerikanischer indigener und traditioneller indischer Gesellschaften.
Kritische Theorie der Biowissenschaften
Besteht die Aussicht, zum hier beschriebenen wissenschaftlichen Hauptarbeitsgebiet meiner, also zu Theorie, Geschichte und Kritik der Naturwissenschaften inklusive darauf bezogener Wissenschaftsforschung und Technikbewertung und der Frage nach damit verbundenen Naturbezügen und kulturellen weltanschaulichen Aspekten, speziell der Biowissenschaften, ein theoretisches Konzept zu entwickeln, mit welchem die Themen und Fragestellungen sich in einen übergreifenden Rahmen einordnen lassen?
Der Sinn eines solchen Versuchs liegt einerseits darin, einen Beitrag zur disziplin-internen Selbstverständigung unter Biologen und Biologinnen zu leisten, zum anderen darin, Grundlagen bereitzustellen für die weitere Diskussion um Wissenschaftsethik und Technikfolgenbewertung im Bereich der Biowissenschaften.
Einen ersten Ansatz dazu bietet mein Aufsatz Zum Konzept einer Kritischen Theorie der Biowissenschaften, in: Jahrbuch für Geschichte und Theorie der Biologie II, hg. von Hans-Jörg Rheinberger und Michael Weingarten 1995, S. 29–40. Darin werden die einige Ausgangspunkte, Zielsetzungen, Fragestellungen, die Notwendigkeit und Aufgabe einer Kritischen Theorie der Biowissenschaften skizziert sowie auch die spezifischen Probleme, die sich dem Versuch entgegenstellen, eine solche zu entwickeln. Die weitere Ausarbeitung ist geplant.
Klimawandel aus philosophischer und soziologischer Sicht
Derzeit befasse ich mich vorrangig mit der Klimakatastrophe und der Frage, ob oder wie sie noch abgebremst werden kann. Denn es geht um das Überleben der Natur auf dem Planeten Erde inklusive der menschlichen Populationen und Kulturen.